»Dieses Jahr werden sie schön rot und aromatisch«, meinte der Professor beim Nachmittagskaffee in seinem Garten und betrachtete den Himbeerstrauch.
Ich nickte zustimmend.
Letztes Jahr hatte er Schalen mit dicken, roten Himbeeren, die er auf dem Markt gekauft hatte, in Sichtweite des Strauchs gestellt. Das sollte den kleinen grünen Himbeeren Mut machen und sie zur Nachahmung ermuntern. »Pflanzen sind nämlich sensible Lebewesen, Herr Grün.« Das war für den Professor wissenschaftlich gesichert.
Schon nach kurzer bemerkten die Amseln die Vorbild-Himbeeren und futterten sie mit Hingabe. Der Professor gab nicht auf und stellte stattdessen Bilder mit Himbeeren auf, die er auf Holzklötzchen befestigt hatte. Das zog wiederrum die Schnecken an, die erstaunlich artistisch über die Fotos krochen. Jeden Morgen ging er in den Garten, nahm behutsam eine Schnecke nach der anderen von den Fotos und setzte sie, für Schnecken gefühlt sicherlich Meilen weit weg, auf einer Wiese ab, von woher sie sich wieder auf den Weg machten. Eine klassische Sisyphusarbeit.
Zum Kaffee im Garten bei Sonnenschein gab es eine wunderbare Himbeertarte. Bei jedem Bissen verdeckte ich das Tartestück etwas mit der Hand und linste zu den Himbeeren hinüber. Ob sie uns wirklich beobachten? Man weiß ja nie.
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