Um 8.00 Uhr morgens, ich war gerade am Frühstücken, stand plötzlich Professor Caprese im Kochlabor.
»Wo kommen Sie her? Sie sehen sehr müde aus.«
Er stand da mit einer Wolldecke unterm Arm und einer Papptüte in der Hand.
»Ich habe auf dem Markt übernachtet. Ich wollte unbedingt der Erste sein.« Er lachte und hustete dabei etwas.
Er zog einen riesigen Strauß Blattpetersilie aus der Papptüte.
»Signor Grün, ich wünsche mir so sehr Tagliatelle verde.« Dann ließ er sich in den Sessel am Fenster fallen und schlief sofort ein.
Ich deckte ihn mit seiner Decke zu. Dann bereitete ich die Tagliatelle zu. Und eine Idee für die Sauce hatte ich auch schon.
…
Asiatische Spaghetti Xian – mit Paprika, Ingwer, roter Peperoni und Tomaten
So ein schöner Spätsommertag. Ich hatte Spaghetti Napoli zubereitet – wie der Professor sie mochte.
Ich beobachtete ihn. Er drehte nachdenklich die Gabel in den Spaghetti und brummte vor sich hin.
»Die Chinesen haben die Spaghetti nicht erfunden. Das ist doch Unsinn. Das waren die Neapolitaner. Die Polos hatten die Nudeln von uns – den Neapolitanern. Und weil sie so begeistert waren, hatten sie auf ihren Reisen immer einen ganze Kiste voll Spaghetti mit dabei. Und Pesto natürlich. Ich meine, sie wussten ja gar nicht, was sie kulinarisch auf den Reisen erwartet.«
Ich nickte. »Sie meinen, die Chinesen haben die Nudeln von Marco Polo und nicht umgekehrt?«
»Nein, nicht von Marco Polo, sondern von dem Koch, Silvio Dante. Übrigens auch ein Neapolitaner. Als die Karawane von Marco Polo sich im Jahr 1274 sich auf die Seidenstraßen-Stadt Xian zubewegte, kamen ihnen Reiter als Begrüßung entgegen. Sie wollten unbedingt wissen, was die Venezianer gerne essen. Daraufhin hat Silvio, der Koch, ihnen Spaghetti mitgegeben. Die haben sie dann, so gut sie konnten, selber hergestellt und eine asiatische Sauce dazu gekocht. Die Spaghetti heißen übrigens… Mh, jetzt habe ich den Namen vergessen. Ist auch egal. Aber so war es. Ich schwöre es, Signor Grün.«
Natürlich hatte Caprese alles erfunden. Das war sicher. Auch der Name des Kochs. Ich kannte ihn irgendwo her. Aber ich hakte nicht nach, denn das Thema hatte Zündstoff.
Ich entwickelte ein paar Tage später diese Spaghetti, mit einer Sauce aus orangener Paprika, roter Peperoni, Ingwer und Tomaten und nannte sie »Spaghetti Xian«.
Ich werde sie bei Gelegenheit dem Professor vorstellen – werde aber noch etwas warten, bis sich die Wogen zu dem Thema geglättet haben.
…
Spaghetti Tromba – Spinat, Tomate, Peperoni und Zitrone in Knoblauchöl geschwenkt
Ich hatte lange darüber nachgedacht, was ich kochen sollte. Manchmal sitzen mir viele Purzelbäumler auf den Schultern und schnattern durcheinander. »Herr Grün, Sie sollten etwas Saisonales kochen.« Meinte einer. »Nein, dem muss ich widersprechen. Er sollte einen Salat zubereiten. Die Menschen wollen jetzt Salat.« Erwiderte ein anderer.
Das Gebrabbel summte ich weg und überlegte, was ich selber gern essen wollte. So entschied ich mich für Spaghetti in einer Sauce aus Knoblauchöl, Babyspinat, roter Peperoni und fein geriebener Zitronenschale. Dazu wollte ich einen Tomaten-Spinatsalat anrichten.
Ich bereitete also das Mittagessen zu, da hörte ich eine Trompete. Ich schaute hinüber zum Nachbarhaus und sah Professor Caprese am Fenster stehen – mit einer Trompete. Was für eine wunderschöne Melodie. Ich wusste gar nicht, dass er das konnte. Ich hörte ihm eine Weile durch das offene Kochlabor-Fenster zu. Dann hob ich kurz die Hand und lachte. Das sah er und nur kurze Zeit später saßen wir uns gegenüber. Aßen Spaghetti Tromba. Freuten uns. Die einfachen Dinge.
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