Obwohl der Professor den ganzen Juli in Neapel war, rief er fast täglich an, wollte wissen, ob es was Neues gibt.
»Gibt es neue Rezeptentwicklungen?« Ich glaubte, etwas Heimweh in seiner Stimme erkennen zu können.
»Ich habe einen mediterranen Nudelsalat entwickelt – mit selbstgemachten Pilz-Tagliatelle und Ofengemüse.«
Ich hörte ein Brummen. »Ah, können Sie mir das Rezept vorlesen?«
»Aber es steht auf meiner Site.«
»Bitte lesen Sie es mir doch vor?«
Ich wusste, er würde nicht aufgeben, bis ich ihm das ganze Rezept vorgelesen hatte. Mit allen Mengenangaben und jedem Detail. Das mochte er.
Ich erinnerte mich an einen älteren Herrn, der ein Kiosk in einer kleinen Stadt an der Elbe besaß. Ich kaufte ab und zu bei ihm ein und mir fiel auf, dass er oft am telefonieren war und scheinbar Rezepte vorlas. Ich sprach ihn darauf an und er erzählte mir, dass alles vor Jahren mit einem Anruf seiner Schwester begann. Sie wollte wissen, wie Kartoffelklöße gemacht werden. Er sammelte aus alten Zeitschriften Rezepte und las ihr eines davon vor. Ein Kunde, der gerade im Kiosk war, hörte zufällig mit und rief später dann auch wegen eines Rezeptes an. Das zog dann nach und nach Kreise und der Kioskbesitzer wurde täglich von vielen Menschen angerufen, die ein Rezept oder einen Kochratschlag benötigten. An seiner Wand hingen hunderte Postkarten und Fotos mit kochenden Menschen, die ihn grüßten und sich bedankten.
…